Die Geschichte von Hanf als Pflanze beginnt vor 19 Millionen Jahren, wo Sie im Tibetischen Hochland ihre Ursprünge findet.1 Die Geschichte der medizinischen Verwendung von Hanf beginnt jedoch erst 3000 Jahre vor Christus. Nicht weil Hanf in der Vorzeit als Medizin unbekannt war, sondern weil keine verlässliche Quelle zu einem solch komplexen Thema aus früherer Zeit existiert. Um den medizinischen Gebrauch festzustellen, benötigt man geschriebenen Text. Auf anderen Wegen ist die Verwendung als Medizin kaum zu belegen. Zwar gibt es sehr alte Funde, die Spuren von Hanf an erkrankten und später verstorbenen Menschen fanden, allerdings ist es Spekulation daraus auf eine medizinische Verwendung zu schließen. So beginnt unsere Geschichte der medizinischen Verwendung von Hanf mit den ersten Hochkulturen der Menschheit, die eine ausgefeilte und für uns lesbare Schrift geschaffen haben.
Die Geschichte von Hanf als Medizin beginnt um die Geburt Christi im heutigen China, im ältesten Arzneibuch der Welt, dem Pen-ts'ao ching, welches mündliche Überlieferungen über die Verwendung und Wirkung von Heilmitteln aus bis zu 3000 Jahren vorhergegangener chinesischer Kultur zusammenfasst.2 Dieses erwähnt Hanf als Mittel gegen über 100 Krankheiten, darunter rheumatische Schmerzen, Gicht und Malaria.3 Zu dieser Zeit wurde Hanf im Reich der Mitte zu den fünf wichtigsten Nutzpflanzen gezählt. Es wurde neben seiner Hauptrolle in der Produktion von Textilien, Seilen, Papier und Öl auch als wichtiges Nahrungsmittel angebaut.4
Im 2. Jahrhundert nach Christus beschrieb Hua T'o, ein Arzt der damaligen Zeit und Begründer der chinesischen Chirurgie, Hanf als Schmerzmittel.5 Er soll eine Mischung aus Hanf und Wein verwendet haben, um die Schmerzen seiner Patienten während Operationen zu lindern.6
Durch die große Effektivität von Hanf als Nutzpflanze und seine heilenden Eigenschaften verbreitete er sich ins benachbarte Indien. Dort wurde Hanf wegen seiner vielseitigen Eigenschaften in religiöse Rituale aufgenommen, wodurch es möglich war, die medizinischen Vorteile der Pflanze eingehend zu untersuchen.4 Diese medizinischen Forschungen in der indischen Kultur führten zur Verwendung von Hanf als Analgetikum (schmerzstillendes Mittel), Antikonvulsivum (epilepsiebehandelndes Mittel), Anästhetikum (schmerzausschaltendes Mittel), Antibiotikum und Entzündungshemmer.2 Diese Eigenschaften ermöglichten die Behandlung vieler Krankheiten, darunter Epilepsie, Tollwut, Angstzustände, Rheuma und sogar Atemwegserkrankungen wie Bronchitis und Asthma.2
Hanf breitete sich schon vor seiner Verwendung in der Medizin aufgrund seiner vielseitigen Vorteile als Nahrungsmittel und zu Produktion von Rohstoffen in die westliche Welt aus.
Bis 450 v. Chr. erreichte die Pflanze Mittelmeer, wie ein Bericht des berühmten griechischen Historikers Herodot aus erster Hand belegt.2 Viele verschiedene Zivilisationen zwischen dem Mittelmeer und Indien nahmen in Folge die Hanfpflanze, erst in ihre Kulturen und dann in ihre Medizin auf. So wurde in der Blütezeit der islamischen Kultur die medizinische Wirkung der Pflanze im heutigen Iran erkannt und genaustens studiert. Der persische Arzt Avicenna (980-1037 n. Chr.), bis heute zu finden auf Banknoten der Region, veröffentlichte den "Kanon der Medizin", eine Zusammenfassung des gesamten medizinischen Wissens der damaligen Zeit. Avicenna, bekannt als Allgemeingelehrter, Philosoph und Mediziner war ein einflussreicher Forscher. Sein Werk wurde in der westlichen Medizin bis zum neunzehnten Jahrhundert umfassend studiert und hatte einen nachhaltigen Einfluss auf die gesamte westliche Medizin. Avicenna verzeichnete Hanf als eine wirksame Behandlung unter anderem von Gicht, entzündeten Wunden und schweren Kopfschmerzen.7
Die therapeutische Verwendung von Hanf wurde erstmals 1839 in die moderne westliche Medizin eingeführt, als der irische Arzt William O'Shaughnessy "On the preparations of Indian hemp, or gunjah" veröffentlichte.2 O'Shaughnessy testete die Auswirkungen verschiedener Formen von Hanf an Tieren, um die möglichen Nebenwirkungen des Medikamentes zu bewerten.3 Sich der Unbedenklichkeit des Medikamentes sicher, versorgte er darauf seine Patienten mit Hanfextrakten und entdeckte, dass diese sowohl schmerzstillende als auch beruhigende Eigenschaften hatten.
Die ersten Ergebnisse von O'Shaughnessy, gefolgt von denen anderer Ärzte, führten zu einer raschen Verbreitung von Hanf durch die westliche Medizin der Neuzeit sowohl in Europa als auch in Nordamerika.
Im Jahr 1860 berichtete der Ausschuss für Hanf der Ohio State Medical Society über den Erfolg von Hanf Medikamenten zur Behandlung vieler Beschwerden wie Gonorrhoe, Asthma, Rheuma und starken Magenschmerzen.8 Die Verbreitung von Hanf in der Medizin nahm weiter zu und erreichte seinen Höhepunkt im späten achtzehnten und frühen neunzehnten Jahrhundert, als er in vielen frei verkäuflichen Arzneimitteln wie der "One day cough cure" (Husten Heilung in einem Tag) gefunden werden konnte.5
Nach seiner Blütezeit in der medizinischen Verwendung in den späten Jahren des 19. Jahrhunderts, begann der Hanfkonsum im frühen 20. Jahrhundert aufgrund einer Reihe von Faktoren zu sinken. Die Entdeckung des Arzneimittels Aspirin in 1897 dämmte die Nachfrage der Hanfpflanze als Analgetikum, also schmerzstillendes Mittel ein, da Aspirin als synthetisches Analgetikum einfach zu produzieren und praktisch zu konsumieren war.2 Zudem machte die Entwicklung von Impfstoffen gegen Krankheiten, den Einsatz von Hanf bei der Behandlung eben dieser Krankheiten überflüssig. 2, 5 Allerdings könnte die Entwicklung der Injektionsnadel und ihre Anwendung auf Opiate als der größte Faktor für den Rückgang des Hanfkonsums angesehen werden.2 Die Methode der Injektionsnadel wirkt schnell und lässt sich gut kontrollieren und Opiate sind in Schmerzlinderung effektiver, wenn auch gefährlicher. Die neu entwickelten Methoden und Medikamente ersetzen Hanf und wirkten stärker und zuverlässiger. Zwar verschwand Hanf als Medikament durch diese Faktoren nicht, besetzte jedoch fortan eine Nische im Markt anders als zuvor als es als Allheilmittel verwendet wurde.
Entgegen der Empfehlung der American Medical Association die riet, dass Hanf aufgrund seiner geringen Toxizität ein medizinischer Wirkstoff bleibt, wurde 1937 trotz Protesten das Marihuana-Steuergesetz erlassen. Dieses untersagte die Verwendung von Cannabis als Arzneimittel in den gesamten Vereinigten Staaten. 1941 wurde Cannabis vollständig aus dem U.S. amerikanischen Arzneibuch entfernt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Hanf auch auf globaler Ebene von der UN nicht als Arzneimittel angeführt. In den folgenden Jahrzehnten blieb Hanf als Medizin ungenutzt.5
Dieselben Gründe, die den Rückgang des Hanfkonsums in der Medizin bewirkten, ermöglichten ihm auch seine andauernde Renaissance, die in den frühen 2000er Jahren begann. Medikamente die effektiver, einfacher und stärker wirken, kommen zu ihrem Preis. Personen mit chronischen Schmerzen können Aspirin geschweige denn Opiate nicht täglich verwenden, ohne extreme Nebenwirkungen zu erfahren. Eine fortwährende Opium Epidemie in den Vereinigten Staaten wegen verschreibungspflichtiger Tabletten, und globale Gesundheitsprobleme, denen mit synthetischen Arzneimitteln bisher kein Einhalt geboten werden konnte, bewirken ein Umdenken in der Gesellschaft und der medizinischen Gemeinschaft. So finden diverse Hanfprodukte auf dem freien Markt wieder Verwendung, beispielsweise bei der Behandlung von Schmerzen, Übelkeit und Schlafproblemen. Auch in Verschreibungspflichtigen Arzneimitteln findet Hanf heute wieder Anwendung, zum Beispiel in zugelassenen Medikamenten gegen Epilepsie und Multiple Sklerose.9 10
So endet diese Geschichte, wie sie begonnen hat. Mit den großartigen Entdeckungen über eine Pflanze, deren Anwendungsgebiete in der Medizin unerschöpflich scheinen. Allein im Februar 2020 befanden sich 25 verschiedene Anwendungsgebiete von Medikamenten auf CBD Basis im Test, und diese Statistik beinhaltet lediglich EU Staaten.11 Bisher hat es den Anschein, als sei in dieser Entwicklung kein Ende in Sicht und so erlebt Hanf in seiner medizinischen Verwendung eine andauernde Renaissance die zum Wohlergehen von Millionen von Menschen beitragen kann.
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Quellen:
1. Russo, E. B., “The Case for the Entourage Effect and Conventional Breeding of Clinical Cannabis: No "Strain," No Gain,” Frontiers in plant science, V. 9, 2018, p. 1969.
2. Zuardi, A. W., “History of cannabis as a medicine: a review,” Revista brasileira de psiquiatria (Sao Paulo, Brazil : 1999), V. 28, No. 2, 2006, pp. 153–157.
3. Mack, A., and Joy, J. E., “Marijuana as medicine?: The science beyond the controversy,” National Academy Press, Washington, D.C., 2001, 199 pp.
4. Touw, M., “The religious and medicinal uses of Cannabis in China, India and Tibet,” Journal of psychoactive drugs, V. 13, No. 1, 1981, pp. 23–34.
5. Mikuriya, T. H., “Marijuana in medicine: past, present and future,” California Medicine, V. 110, No. 1, 1969, pp. 34–40.
6. Li, H.-L., “An archaeological and historical account of cannabis in China,” Econ Bot, V. 28, No. 4, 1973, pp. 437–448.
7. Mahdizadeh, S., Khaleghi Ghadiri, M., and Gorji, A., “Avicenna's Canon of Medicine: a review of analgesics and anti-inflammatory substances,” Avicenna Journal of Phytomedicine, V. 5, No. 3, 2015, pp. 182–202.
8. McMeens RR., “Report of the Ohio State Medical Committee on Cannabis Indica.,” Transactions of the Fifteenth Annual Meeting of the Ohio State Medical Society of Ohio White Sulphur Springs, V. 1860.
9. “Sativex (nabiximols) | MS Trust,” 2020
10. World Health Organisation, “CANNABIDIOL (CBD),”.
11. “Clinical Trials register - Search for cannabidiol,” 2020.